Die diesjährige Verleihung des Mansfeld-Preises ist ein besonderes Ereignis, denn er wird in diesem Jahr zum 10. Mal für die beste studentische Abschlussarbeit auf dem Gebiet der pflanzengenetischen Ressourcen vergeben. In ihrer Masterarbeit hat sich die diesjährige Preisträgerin, Ulrike Rudolph, mit Winterroggen befasst. Der Titel ihrer Arbeit lautet „Genetic Diversity in a World Collection of Winter Rye Populations“ (Genetische Vielfalt in einer weltweiten Sammlung von Winterroggenpopulationen). Die Arbeit steht ganz in der Tradition der Mansfeld´schen Forschungsarbeiten zur Beschreibung infraspezifischer Variabilität und demonstriert zum 60. Jahrestag der Entdeckung der DNA-Doppelhelixstruktur den praktischen Wert von DNA-Markertechnologien.
Als Fremdbefruchter ist Roggen kein ganz einfaches Objekt für Genetiker. Um ihn zu erforschen, musste die Preisträgerin zunächst den steinigen Weg von der einfachen Mendelgenetik zur Populationsgenetik zurücklegen. Mit dem Rüstzeug des Lehrstuhls für Pflanzenzüchtung an der TU München hat Ulrike Rudolph diese Strecke mit großem Erfolg zurückgelegt und kann nun Einblicke in eine kulturhistorisch überaus interessante Pflanze verschaffen:
Der Roggen ist eine vergleichsweise junge Kulturart, die erst 500 Jahre vor Christus als eigenständige Fruchtart angebaut wurde. Zuvor fristete er sein Dasein mehrere tausend Jahre lang als Unkraut in den Feldern früher Bauern. Nachdem er das Stadium des Unkrauts überwunden hatte, entwickelte sich Roggen zur dominierenden Getreideart des Mittelalters. Dieser Trend hielt bis in das 20. Jahrhundert an. Wie viele andere Getreidearten hat sich der ursprünglich aus dem Fruchtbaren Halbmond stammende Roggen im Laufe der Zeit zu einer typisch deutschen Fruchtart entwickelt, denn Deutschland ist nach Russland und Polen der weltweit drittgrößte Produzent. Noch im Jahr 1961 betrug die Anbaufläche für Roggen in Deutschland über 2 Millionen Hektar. In den folgenden Jahrzehnten wurde er jedoch sukzessive durch andere Fruchtarten verdrängt. Der Tiefpunkt war im Jahr 2006 mit knapp 550.000 Hektar erreicht. Mittlerweile hat der Roggen wieder etwas von seiner alten Attraktivität zurückgewonnen. Im vergangenen Jahr lag die Anbaufläche bei 710.000 Hektar.
Ein wichtiger Grund hierfür liegt im Zuchtfortschritt, der sich in einer Ertragsverdoppelung von 2,6 Tonnen je Hektar in den 1960er Jahren auf knapp 5,1 Tonnen je Hektar in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends widerspiegelt. Dieser Zugewinn, der die Konkurrenzfähigkeit von Roggen auf leichten Böden sicherte, beruht ganz wesentlich in der Entwicklung leistungsfähiger Hybridsorten, die Ende der 1970er Jahre eingeleitet wurde.
In ihrer Masterarbeit an der TU München, die mit der Note "sehr gut" bewertet wurde, hat Ulrike Rudolph moderne, biostatistische Verfahren zur Analyse genetischer Diversitätsparameter in 14 Winterroggenpopulationen aus der ganzen Welt sowie zur Erfassung von Populationsstrukturen eingesetzt. Bei der Auswertung der mit den Diversitätsparametern verbundenen DNA-Markerdaten konnte sie zeigen, dass mit zunehmender züchterischer Bearbeitung der Populationen eine Reduktion der genetischen Diversität zu verzeichnen ist. Die Arbeit zeigt auf, wie ähnlich oder unähnlich die Populationen aus verschiedenen Ländern und Erdteilen sind und welche Möglichkeiten sich aus der Diversitätsstudie für die weitere Hybridroggenzüchtung ergeben. Darüber hinaus zeigt sie Ansätze und Möglichkeiten auf, wie zukünftige Untersuchungen zur weiteren Charakterisierung des Roggengenpools erfolgen sollten.
Die Preisträgerin ist in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) geboren worden und besuchte in Neustadt/Dosse (Brandenburg) das Gymnasium. Zum Studium zog es sie an die TU München, wo sie einen Bachelor in Biologie und anschließend einen Master im Fach Biowissenschaften erwarb. Vor und während des Studiums sammelte sie praktische Erfahrung in der Landwirtschaft auf einem Milchviehbetrieb in Norwegen sowie als studentische Hilfskraft in einer Reihe von Forschungsinstituten im In- und Ausland. Die Preisverleihung fand am 25. September im Hörsaal des Leibniz-Institutes für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben statt.